Frank Hagen

Plattenkiste: Locas In Love - Use Your Illusion 3 & 4

  • 26.03.2015, 08:36

Zweimal hingehört

Zweimal hingehört

Katja: Die Kölner Supermelancholiker*innen Locas In Love werden nicht müde, neue Platten aufzunehmen und zu veröffentlichen. In diesem Falle sogar eine Doppel-LP. Ihr Durchhaltevermögen ist schon bemerkenswert. Seit 2001 machen sie zusammen Musik, einzig die Schlagzeuger*innen wechselten zwischenzeitlich (derzeit sitzt Saskia von Klitzing an den Drums, die unter anderem auch bei den Fehlfarben mitspielt). Der erste Teil des Albums ist in gewohnter Locas-Manier eine traurige, nostalgische und sehnsüchtige Hommage an Jugendlichkeit, Freund*innenschaft und den ganzen Rest. Björns Stimme vermittelt den untrüglichen Eindruck, man säße mit ihm um halb drei nachts in einer WG-Küche und rede über sein verkorkstes Leben. Eingestreut ins Gespräch gibt es Referenzen an Popgrößen á la The Smiths („Da ist ein Licht …“ – „there is a light that never goes out“). Im zweiten Teil gibt es eine neue Seite der Band zu entdecken, die in Richtung Krautrock beziehungsweise Postrock geht: Instrumentale Stücke, benannt nach Plätzen und Straßen in Köln. Die Abwechslung und Bandbreite zwischen den beiden Stilen macht den Reiz dieses Albums aus.

Frank: Konzeptalbumalarm! Ein Doppelalbum, 23 Lieder – eigentlich fast ein Doppeldoppelalbum. Viel Text, viele (rhetorische) Fragen und grundlegende, immerwährende Weisheiten, ohne Angst vor Banalem. Auch findet sich ein bisschen Metaebene zwischendurch, die als Selbstreflexion daherkommt. Und damit sich alle angesprochen fühlen, gibt es viele statuierte Exempel des menschlichen Daseins von Erwachsenwerdenden in bestimmten Situationen, die wir wahrscheinlich alle kennen, oder (leider) bald kennen lernen: „Martin ist jetzt Lehrer, überhaupt sind ganz schön viele jetzt Lehrer.“ Dazu wunderbares Artwork von Bassistin Stefanie Schrank, das mit der Musik der 3er-Platte dazu verleitet, es sich mit der Band in Daseinsreflexionen gemütlich zu machen und dahinzuplätschern. Wenn da nicht die Zäsur „Use Your Illusion 4“ wäre: Wir fahren, begleitet vom Soundtrack der Band, durch Köln, wie in einem bilderlosen Film, elf Stationen lang. Ein „Wiener Platz“ ist auch dabei – das sperrigste Stück. Beide Alben sind so fein instrumentiert und produziert, dass sie nicht langweilig werden. Auch nicht für diejenigen, die bereits aufgehört haben oder aufhören mussten, sich beim Halbphilosophieren zu gefallen.

 

Katja Krüger studiert Gender Studies an der Universität Wien.
Frank Hagen studiert Bildende Kunst an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
 

 

Plattenkiste: Sleater-Kinney - No Cities to Love

  • 26.03.2015, 08:36

Zweimal hingehört

Zweimal hingehört

Katja: Noch länger im Musicbiz sind Sleater-Kinney, die Anfang der 90er Jahre die Riot-Grrrl-Bewegung (mit-)begründet haben. Zwischenzeitlich hatten sie das gesamte Bandprojekt auf Eis gelegt, doch zur großen Freude aller sind sie nun zurück. Die kreative Pause trägt mit dem neuen Album eine wunderbare Frucht. Die zwei bisherigen Auskoppelungen zeigen uns mit den unterhaltsamen Videos (zum Beispiel das Bob’s Burgers Video zu „A New Wave“), dass hier keine angestaubte, herzlose Aufwärmplatte vorliegt, sondern eine nötige Reunion mit frischen Ideen. Die gleichnamige Single „No Cities to Love“ zeigt uns genau, welchen Einfluss die Musikerinnen auf die Künstler*innen von heute gehabt haben, daher singen Menschen wie Ellen Page, Natasha Lyonne („Orange Is the New Black“), Sarah Silverman und viele mehr ihren Hit. Ja, wir haben ein musikalisches Vakuum, das wir mit Serien und anderen Kulturgütern füllen können. Aber darüber hinwegtäuschen, dass wir trotz allem Riot Grrrls brauchen, können sie nicht.

Frank: Schreiben worüber alle schreiben? In diesem Fall ein Muss, denn, sie sind wieder da: Sleater-Kinney. Und sie sind es so einfach und unkompliziert, dass sich die Unaufgeregtheit, mit der die Band nach zehn Jahren wieder gemeinsam spielt, eher schlecht mit dem weltweit ausgebrochenen Jubel verträgt. Weder an ihrem Sound, noch am Drumherum haben Sleater-Kinney groß gewerkt. Dennoch haben sie es sich mit ihrer Platte nicht leicht gemacht. So Pop-affin sind sie nicht in Erinnerung geblieben, ohne Scheu vor großen Gesten aber schon. Einige Songs haben Refrains, die entsprechend der Pop-Manier im Ohr hängenbleiben, nicht zuletzt der Titelsong – zu dem es ein fantastisches Pre-release-Video von Miranda July gibt. Andere Stücke hingegen erinnern mehr an die ersten Alben und sind vertrackter. Während wir in den Texten nach Referenzen von früher kramen, finden sich zum Beispiel in „Hey Darling“ Zeilen wie „it seems to me the only thing that comes from fame is mediocrity“. Wie setzt man das in Relation? Nach den betont relaxten Interviews zu urteilen, scheinen Sleater-Kinney ihre Rückkehr aber nicht überinterpretieren zu wollen. Tun wir es auch nicht.


Katja Krüger studiert Gender Studies an der Universität Wien.
Frank Hagen studiert Bildende Kunst an der Akademie der bildenden Künste in Wien.